newsletter 1/2006

Liebe metalogikon - Interessierte!

Wir freuen uns, Sie in diesem neuen Jahr zu begrüßen. Mit sehr persönlichen und kritischen Sichtweisen setzen wir unsere Denk- und Entwicklungsarbeit zum Thema "Aufgabe Zukunft" fort. Besonderen Dank gilt Herrn Kurt Pikl, Geschäftsführer eines österreichischen Unternehmens, der unseren Open Speaking Space genutzt und damit eröffnet hat. Seine Gedanken mögen Sie dazu anregen den Dialog mit uns und den Menschen, die den Newsletter erhalten, fortzusetzen.
Mit metalogischen Grüßen wünschen wir Ihnen das Allerbeste für 2006.
Dagmar Hlebic
Newsletter Redakteurin
 
In dieser Ausgabe lesen Sie:
  • Goethes Zauberlehrling und die Globalisierung: Eine etwas andere Sicht auf die europäische Vernichtung von Ressourcen
  • Ich werde mir die Seele aus dem Leib arbeiten
  • Reaktion auf den Beitrag "Vernichtung von Ressourcen als Wettbewerbsfaktor für Europa?"
  • Veranstaltungen, Projekte, Interessantes

Goethes Zauberlehrling und die Globalisierung: Eine etwas andere Sicht auf die europäische Vernichtung von Ressourcen

Hat der alte Hexenmeister / sich doch einmal wegbegeben! / Und nun sollen seine Geister / auch nach meinem Willen leben. / Seine Wort und Werke / merkt ich und den Brauch, / und mit Geistesstärke / tu ich Wunder auch.
Die europäische Geistesstärke sind die in den letzten tausend Jahren entwickelten Technologien; aber wer war der Hexenmeister?
Und nun komm, du alter Besen! / Nimm die schlechten Lumpenhüllen; / bist schon lange Knecht gewesen: / nun erfülle meinen Willen! / Auf zwei Beinen stehe, / oben sei ein Kopf, / eile nun und gehe / mit dem Wassertopf!
Maschinen, Roboter und Computer sind unsere Besen und der Kopf sind unsere Unternehmen und Organisationen.
Seht, er läuft zum Ufer nieder, / Wahrlich! ist schon an dem Flusse, / und mit Blitzesschnelle wieder / ist er hier mit raschem Gusse. / Schon zum zweiten Male! / Wie das Becken schwillt! / Wie sich jede Schale / voll mit Wasser füllt!
Unsere Füße sind Flugzeuge, Lastwägen, Schiffe, Telefon und Internet.
Ach, das Wort, worauf am Ende / er das wird, was er gewesen. / Ach, er läuft und bringt behende! / Wärst du doch der alte Besen! / Immer neue Güsse / bringt er schnell herein, / Ach! und hundert Flüsse / stürzen auf mich ein.
Globalisierung, oh weh!
O du Ausgeburt der Hölle! / Soll das ganze Haus ersaufen? / Seh ich über jede Schwelle / doch schon Wasserströme laufen. / Ein verruchter Besen, / der nicht hören will! / Stock, der du gewesen, / steh doch wieder still!
Europäische Unternehmen und Organisationen, erhört doch endlich unser Flehen!
Und sie laufen! Naß und nässer / wirds im Saal und auf den Stufen. / Welch entsetzliches Gewässer! / Herr und Meister! hör mich rufen! - / Ach, da kommt der Meister! / Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister / werd ich nun nicht los.
Wieso wir so gerne glauben, dass die Führungspersonen der Unternehmen und Organisationen den Zauberspruch wissen, um sich selber wieder in die Ecke zu stellen, bleibt ein Rätsel. Verwechseln wir Führungspersonen mit dem Meister? Verwechseln sich Führungspersonen selber mit dem Meister? Angenommen, es gibt keinen Meister, weil niemand den Zauberspruch weiß, weil es diesen ominösen Zauberspruch gar nicht gibt und nie gab, dann ...
Christoph Mandl

Ich werde mir die Seele aus dem Leib arbeiten

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit besitzen wir die Möglichkeit, mit einem kleinen Teil unserer Lebenszeit durch Arbeit genügend Mittel für ein angenehmes Leben zu erwirtschaften. Die von Maschinen und Technologien in den Industriegesellschaften produzierten Werte würden bei einigermaßen intelligenter Verteilung ausreichen, einen frühen Traum der Menschheit zu verwirklichen, den Karl Marx einmal so beschrieb: Am Morgen Bäcker, Ingenieur, Manager oder Berater zu sein, am Mittag Gärtner und am Nachmittag Künstler.
Doch scheint es anders zu kommen: Die immense Freisetzung von menschlicher Lebenszeit, die aus der ökonomisch zwingenden Ersetzung von menschlicher durch maschinelle Arbeit erfolgen müsste, hat nicht statt gefunden. Immer weniger Menschen können arbeiten und sie arbeiten immer mehr. Hillary Clinton brachte das auf den Punkt, als sie bei ihrem Einzug in den amerikanischen Senat versprach, sich in den nächsten sechs Jahren "die Seele aus dem Leib zu arbeiten". Das ist die Paradoxie der modernen Wissensgesellschaft, an der die Soziologie theoretisch und die Politik praktisch gegenwärtig irre wird.
Es ist, als würde Weber's protestantische Arbeitsethik als kapitalistische Urkraft durch eine gottlosere Schwester ersetzt: die "furor laboris", die gemeine Arbeitswut.
 
Sechs Thesen zur "gemeinen Arbeitswut"
  1. Mehr Arbeit ist leichter als alles andere, weil es mehr desselben ist. Mehr Arbeit ist deshalb etwas für Entscheidungsschwache.
  2. Mehr Arbeit ist leichter als alles andere, weil bei allem anderen der Erfolg viel schwerer zu messen ist.
  3. Mehr Arbeit ist leichter als alles andere, weil Arbeitsbeziehungen leichter zu regeln sind als andere Beziehungen.
  4. Mehr Arbeit ist leichter als alles andere, weil es eine Antwort auf das "Drama des Ungenügens" ist, das in der Moderne die "Tragödie der Schuld" abgelöst hat. Alain Ehrenberg: "Die Neurose ist die Tragödie der Schuld, die Depression das Drama des Ungenügens. Sie entsteht dann, wenn sich der Mensch nicht mehr fragt: "Was ist mir erlaubt?", sondern: "Was ist mir möglich?" (in: "Das erschöpfte Selbst")
  5. Mehr Arbeit ist leichter als alles andere, weil man damit dem Schwersten aus dem Weg gehen kann: Müßiggang und Liebe.
  6. Wer mehr als nötig arbeitet, ist letztlich feige.
Andreas Amann

Reaktion auf den Beitrag "Vernichtung von Ressourcen als Wettbewerbsfaktor für Europa?"

Der erste Beitrag berührt mich sehr - ich bin ja als CIO und damit mit "auslagerbaren Prozessen" sehr intensiv involviert. Ich habe gerade ein sehr umfangreiches Outsourcing-Evaluierung-Projekt hinter mir, wo ich mich und meine Arbeit (als Team) auf den (freiwilligen) Prüfstand gestellt habe. Wir haben sehr gut abgeschnitten - Outsourcing ist also kein Thema (mehr). Das ist aber nicht der Punkt - nur ein Hinweis. Ich habe mich sehr intensiv und ausführlich mit diesem Thema auseinandergesetzt = nachgedacht. Die "satten" Länder sind wohl in die "Effizienz-Falle" gelaufen. Wir sind so effizient, dass wir es nicht schaffen, das einzige was wir den "neuen Ländern" voraus haben = Erfahrung, Wissen auch zum Einsatz zu bringen bzw. weiter auszubauen.
Ich kann das ganze "Innovations-Gefasel" nicht mehr hören - die Führungskräfte finden nicht mehr die Zeit, sich weiterzubilden, weil sie damit beschäftigt sind, die Kosten auf das Niveau der "neuen Länder" zu drücken - bei den fixen Kosten, die wir in den "alten Ländern" haben, ein hoffnungsloses Unterfangen. Das Problem ist das obere Management, die zwar von "wir müssen unsere Mitarbeiter entwickeln" faseln - sich selbst aber nicht auf den Wissenstand bringen um eben mitreden zu können. Dazu kommen noch die fatalen Wissenslücken in der Ausbildung der jungen Leute - es ist ja katastrophal, was hier - auch von den Hochschulen - an den jungen Leuten verbrochen wird.
Es ist sicher alles pauschaliert - die Erfahrungen der letzten Jahre geben mir aber im grossen und ganzen Recht. Leider habe ich auch keine tröstenden Worte - die "alten Länder" werden es nicht schaffen. Wir haben es nicht verinnerlicht, dass wir nun 60 Jahre ohne Krieg leben dürfen - der Zyklus "Vernichtung - Aufbau=Wachstum - Verzicht=Hunger-nach-höherem-Standard" funktioniert nicht mehr. Ich sehe an meinen Mitarbeitern (~100) wie schwierig es ist, die Flamme der Begeisterung weiter zu geben - es geht aber schon! Wenn ich mir die verhaltensgestörten Kinder in der Klasse meiner beiden Kinder so anschaue, zeigt die Verschiebung der Familienwerte und des falsch verstandenen Autoritätsbegriffes, was auf uns zukommt. Eine Generation, die nur mehr mit Klingeltönen zu bewerben ist, weil sonst alles ohne Anstrengung vorhanden ist, wird wohl den Trend zum Wissensverlust nicht nachhaltig stoppen können.
Ich wollte mir das nun einfach einmal von der Seele schreiben - es ist ja eine verzweifelte Situation, auf die ich täglich stosse. Sinnvolle und auch als solche erkannte Projekte werden nicht angegangen, weil die "Ressourcen" nicht vorhanden sind. Auf die Idee, die Ressourcen zur Verfügung zu stellen = Leute ANZUSTELLEN, AUSZUBILDEN und vor allem pfleglich zu behandeln, kommen wir schon gar nicht mehr. Wir haben eine fixe Idee - Mitarbeiter=Kosten - dass Mitarbeiter=Werte sind, fällt unter die "Sozialromantik".
Kurt Pikl (Geschäftsführer eines Unternehmens in Tirol)

Veranstaltungen, Projekte, Interessantes

Metalogkonferenz: Zivilcourage
Zivilcourage ist das Thema unserer nächsten Metalogkonferenz, die von 25. - 28. Oktober 2006 in Strobl/Wolfgangsee stattfindet.
 
Lernprojekt Innovationskraft stärken - Zukunft hervorbringen
Die Erschließung nachhaltiger Erfolgspotenziale in Unternehmen
Vier 2½-tägige Module im Zeitraum Februar bis Dezember 2005, Nussdorf am Attersee.
 
inn[o]pact
Essentielle Innovationen hervorbringen - Innovationskraft dauerhaft stärken Unternehmensinternes Projekt - nach terminlicher Absprache.
 
Verblüffende Vielfalt - Führungskräfte beraten Führungskräfte
Eine Gruppe von Führungskräften aus Profit- und Non- Profitunternehmen trifft sich alle sechs Wochen, um an Frage- und Problemstellungen zu arbeiten, die aus ihrer Führungspraxis heraus entstanden sind. Ein nächster Einstieg ist Anfang Februar 2006 möglich.