Thomas Jorberg: 1974 wurde die GLS Bank als weltweit erste Nachhaltigkeitsbank gegründet. Wenn man sich anschaut, wie heute eine Investitions- und eine Anlageentscheidung funktioniert, dann ist der Zinssatz oder die Rendite das Entscheidungskriterium schlechthin. Mit zwei Nebenbedingungen: Das eine ist das Risiko, was je nach Risikolage des Anlegers berücksichtigt wird, und das andere ist die Laufzeit. Aber wenn sie die beiden als gegeben und passend für den Anleger annehmen und er hat zwei Angebote zu Wahl, dann entscheidet er sich für das mit dem höheren Zins. Unabhängig davon, was damit finanziert wird. Das ist die Entscheidungsmatrix - im Finanzmarkt ganz besonders – und zugleich das Kernproblem, vor dem wir stehen. Im Grunde genommen haben wir damit eine systemisch organisierte Verantwortungslosigkeit. In der Regel kommt die Frage nach der Verwendung des Geldes schlichtweg nicht vor, sondern nur die Frage nach der Höhe des Zinssatzes. Das ist im Investment Banking natürlich auf die Spitze getrieben worden. Es hat eigentlich überhaupt keine realwirtschaftliche Verwendung mehr, sondern zielt darauf ab, Geld mit Geld zu machen. Das zu durchbrechen und dabei nicht nur durch einen „grünen Anstrich“ für ein gutes Gewissen zu sorgen, sollte das Ziel sein. Wobei ich auch hellgrüne Angebote begrüße, weil es immer Nachahmer gibt und das Thema damit breitenwirksam wird. Zudem ist es dann Sache der Kunden nachzufragen, wie nachhaltig der Fonds usw. tatsächlich ist. Dennoch sind diese Angebote eher Gewissensberuhigung als wirklich eine Innovation. Wir sind nach wie vor sehr stark gefordert, auch als die Bank, die das als erste entwickelt hat, im Markt an der Spitze zu bleiben und die Messlatte in Sachen Qualität weiter zu entwickeln. Insofern ist das, was wir machen im Verhältnis zu dem, was der Mainstream ist, immer noch eine radikale Innovation. Wenn ich mit Kollegen auf dem Podium sitze, dann empfinden die uns immer noch als ziemlich radikal. Sie sagen: „Es ist ja toll, was Sie da machen. Im Prinzip wollen wir das ja alle, aber das ist doch gar nicht möglich.“