Forschungsprojekt "In der Krise: Beibehalten, innovieren, über Bord werfen"

Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir gemeinsam erfolgreich sind

Dialogisches Interview mit Erwin Stubenschrott
Geschäftsführer KWB – Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH
18. Dezember 2009

Das dialogische Interview führte Christoph Mandl *

Christoph Mandl: Wie erlebten Sie aus Ihrer unternehmerischen Wahrnehmung die letzten 1-2 Jahre, in denen es für viele zu einer ziemlichen Veränderung der wirtschaftlichen Situation gekommen ist? Gab es bei Ihnen auch massive Nachfrageeinbrüche oder Probleme mit der Bank? War es überhaupt eine Krise für Sie?
 
1. Es ist keine Kontinuität vorhanden, oder ein roter Faden erkennbar
 
Erwin Stubenschrott: Die derzeitige wirtschaftliche Situation hat sich nicht auf unsere Umsätze ausgewirkt. So gesehen ist es für uns keine Krise. Aber es gab natürlich schon Auswirkungen, die sich auf unser Geschäftsfeld beziehen. Es gibt relativ wenige Geschäftsfelder, denen man in Zukunft Wachstum zutraut. Das sind die sogenannten Wirtschaftsmotoren. Eines davon ist sicherlich die Energieversorgung, speziell der Bereich, in dem wir tätig sind – der Bereich der Biomasse, der nachwachsenden Rohstoffe. Hier besteht allerdings ein enormer Nachholbedarf. Es ist Europaweit so, dass gerade im Bereich der Wärmebereitstellung die Kesseltechnologie komplett veraltet ist. Es gab in den letzten 6-7 Jahren einen jährlichen Rückstau an Technologie. Mitverantwortlich ist einerseits die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, zum anderen auch die Unsicherheit, wo es mit der Energieversorgung hingeht.
Es sagen zwar alle, dass Energie erneuerbar werden muss – es gibt ja Probleme mit der Abhängigkeit von der Fossil-Industrie, aber es ist insofern schwierig, als sich die Aussagen laufend widersprechen. Es ist keine Kontinuität vorhanden, oder ein roter Faden erkennbar. Dass mittelfristig gesehen ein Ende der Fossil-Industrie absehbar ist, ist den meisten bewusst. Dazu kommt aber, dass sich die Fossilen ein „grünes Mascherl“ verleihen.
 
CM: Wie gibt man Fossilen ein „grünes Mascherl“?
 
2. Es ist ihnen noch nicht klar, wo es wirklich hingeht
 
Erwin Stubenschrott: Indem sie das Thema marketingmäßig und kommunikationstechnisch geschickt aufbereiten und geringe CO2 Emissionen, keinen Feinstaub etc. herausstreichen. Somit glaubt ein Laie, der nicht täglich mit dem Thema beschäftigt ist, sowieso die beste Heizung und keine Sorgen um die Zukunft zu haben. Die Menschen versuchen sich an solchen Aussagen irgendwie festzuklammern, um sich selber und ihr Gewissen zu beruhigen.
Mittlerweile wird in Österreich bei einem Neubau schon bei der Bausubstanz darauf geschaut, dass die Heizkosten möglichst niedrig sind. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus hat ca. 5-8 KW. Da geht man dann entweder mit Solarenergie, Erdwärmepumpen oder vielleicht einer Kombination verschiedener – sogar bis zum Kachelofen – hinein. Der große Massenmarkt für uns liegt daher in der Sanierung.
Und wenn jetzt die Unsicherheit der Leute hineinspielt, die nicht genau wissen, wie es weiter geht, dann wird getankt, wenn das Öl billig ist. Man kann dann in Ruhe abwarten, wie es wirklich weiter geht. Das hat heuer in Mitteleuropa sicherlich den Markt maßgeblich beeinträchtigt. Also die komplette Branche verzeichnet im Pellet-Bereich einen Rückgang von geschätzten 20% im Vergleich zum Vorjahr. Das sind immer noch recht gute Zahlen, aber nicht das erwartete Wachstum. Denn in Deutschland sind z.B. von 17,5 Millionen Heizungen in den Einfamilienhäusern 3,5 Millionen älter als<s> </s>25Jahre, nur 10% entsprechen dem Stand der Technik bzw. den gesetzlichen Vorgaben. In Österreich ergibt sich ein ähnliches Bild. Obwohl diese Heizungen einen sehr hohen Verbrauch, schlechte Effizienz und schlechten Wirkungsgrad haben, warten die Leute ab. Es ist ihnen noch nicht klar, wo es wirklich hingeht.
 
Unser Vorteil als KWB ist sicher der, dass wir in der Produktpalette breiter sind. Wir haben uns nicht, wie manche Mitbewerber, auf den kommenden Massenmarkt „Pellet-Heizungen“ spezialisiert, sondern sind auch ganz konservativ im Bereich der Hackschnitzel-Heizungen tätig. Dieser Markt geht immer besser, weil einfach hier die Brennstoffbereitstellung immer regionaler wird, und die Qualität durch Normierungen und Zertifizierungsketten gesichert ist. Das heißt, man kauft nicht mehr die Katze im Sack, sondern Energie mit guter Technologie mit hohem Komfort. Dieser Markt wächst langsam, aber konstant, wie auch der Bereich Gewerbekommunen/ Nahwärmenetze. Da ist die Nachfrage momentan irrsinnig hoch.
 
Eines muss man auch klar sagen, obwohl das Klima, CO2 und alle Szenarien, die uns betreffen, Tagesthemen sind, ist die letzte Entscheidung, wo man auch hinschaut, immer eine wirtschaftliche Entscheidung. Es ist so, nehmen wir das Beispiel Bionahrung: Etwa 90% der Menschen wollen Bionahrung und 12-15% kaufen diese auch tatsächlich. Ähnlich wollen auch 90% etwas fürs Klima tun. Nur wenn es darum geht zu investieren, und ein paar Tausend Euro mehr für eine Pellet-Heizung als für eine Ölheizung zu zahlen, oder wesentlich mehr für eine Hackschnitzel-Heizung, dann fängt man zu rechnen an. Und weil nicht entsprechend klar und deutlich belegbar scheint, dass sich diese Investition aus heutiger Sicht in den nächsten 5-10 Jahren amortisiert, greift man trotzdem wieder zu Öl oder zu Gas.
Wenn jedoch der Ölpreis steigt, und dies letztendlich beim Endkunden durchschlägt, dann gibt es in unserem Bereich einen Boom.
 
CM: Es gibt ja Aussagen, dass wenn die Wirtschaft wieder anzieht, ein Ölpreis um $ 200 pro Barrel gar nicht so unwahrscheinlich ist.
 
3. Grundsätzlich muss es eine Veränderung im Energieverbrauch und in der Bereitstellung der Energie geben
 
Erwin Stubenschrott: Genau, es gibt ein paar Studien/Expertenbefragungen, wo man $ 150-300 pro Barrel für 2015 bereits annimmt, und das wird wahrscheinlich auch so kommen. Grundsätzlich muss es eine Veränderung im Energieverbrauch und in der Bereitstellung der Energie geben. Ganz klar, die Zeit ist knapp! Auf der anderen Seite muss man natürlich auch die Geschwindigkeit und die Möglichkeit der Umstellung der Wirtschaft betrachten und auch die Schock-Reaktion in diesem Bereich. Nicht jeder hat die Möglichkeit, sofort etwas zu machen. Wir würden uns von der Politik Investitionssicherheit erwarten. Wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn man sagt, man verschärft die Grenzwerte. Man gibt da und dort Druck. Wenn etwas Sinn macht, soll man da alle Kraft hineinstecken, um noch besser zu werden, noch sauberer zu werden, noch effizienter zu werden. Aber so etwas wie in Deutschland wo sich die Regierung vor einigen Jahren auf eine Bundesemissionsschutzverordnung geeinigt(BIMSCHV)oder wie in Österreich, wo die Regierung einen Masterplan Umwelttechnik (MUT) verabschiedet hat, und die jeweils nächste Regierung wieder alles auf den Kopf stellt, bzw. von vorne beginnt, ist für uns eine Katastrophe. Denn wir haben schon in der Entwicklung sehr hohe Kosten. Da muss man von der Idee und Marktforschung bis zur Serienproduktion mit bis zu 5 Mio. Euro rechnen. Dabei orientiert man sich natürlich an den Wünschen des Gesetzgebers. Wenn ich heut eine Idee habe, und ich 2015 damit auf den Markt kommen kann, dann muss ich ja jetzt bereits die notwendigen Schritte setzen, damit ich 2015 bis 2025 sowohl dem Gesetzgeber aber auch den Kunden und Marktbedürfnissen gerecht werde. Da müssen wir uns darauf verlassen können, dass die gesetzlichen Regelungen auch in der nächsten Legislaturperiode gelten. Das ist momentan leider noch nicht so. Das ist in Legislaturperioden denken. Das tut uns immer sehr weh!
 
CM: Gibt es nicht auch Kunden, die von sich aus einen Kessel mit besseren Abgaswerten kaufen wollen, unabhängig davon, was gesetzlich vorgeschrieben ist?
 
Erwin Stubenschrott: Naja, teils-teils. Es gibt da alle Kundensegmente. Es gibt halt solche, die kaufen nach wie vor nur über den Preis. Das ist ja keine kleine Investition und etwas, das man nicht für die nächsten 5 sondern mindestens für die nächsten 20 Jahre hat.
 
CM: Das heißt, das letzte Jahr, also 2008, müsste eigentlich für Sie das beste Jahr Ihrer Firmengeschichte gewesen sein, weil der Ölpreis auf ungeahnten neuen Höhen war?
 
Erwin Stubenschrott: 2008 war das beste Jahr in der Firmengeschichte. 2009 ist das zweitbeste Jahr in der Firmengeschichte. Wir haben zwar im Pellet-Kesselbereich verloren, aber im Bereich von Hackschnitzelheizung und auch mittleren Anlagen haben wir Zuwächse.
 
CM: Trotz des niedrigen Ölpreises?
 
4. Das gibt Vertrauen und Sicherheit, wenn die Kunden sehen, dass sie nicht von einem Import abhängig sind
 
Erwin Stubenschrott: Trotz niedrigen Ölpreises, da die Brennstoffkosten umgerechnet auf die Kilowattstunde natürlich bei Holzschnitzel unschlagbar sind. Also da ist man auch bei den niedrigen Ölpreisen auf die Energieeinheit hochgerechnet 50% darunter. Und die Investitionen bei Anlagen, wo 10 Häuser zusammenhängen, amortisieren sich innerhalb von 2-5 Jahren. Inzwischen wird auch die Versorgung immer näher und regionaler, über die Waldwirtschaftsverbände und die Biomassehöfe, die ja jetzt auch stärker ausgebaut werden sollen. Das gibt Vertrauen und Sicherheit, wenn die Kunden sehen, dass sie nicht von einem Import abhängig sind, sondern aus der direkten Umgebung beziehen. Und es gibt 15-jährige Liefer- und Preisverträge, die zwar indexiert, aber wesentlich an den Rohstoff Holz gebunden sind. Also auch von dieser Seite her verspricht es größere Sicherheit.
 
CM: Bedeutet das, dass Pellet durch Hackschnitzel graduell abgelöst werden?
 
Erwin Stubenschrott: Nein, das sind unterschiedliche Einsatzbereiche. Eine Hackschnitzelheizung würde sich im 1-2 Familienhausbereich nicht rechnen. Wenn ich eine Heizlast von 5-6 KW habe, dann macht das keinen Sinn. Selbst wenn der Brennstoff um 50% oder 70% billiger ist, steht die Mehrinvestition in keinem Verhältnis zur jährlichen Brennstoffersparnis. Und natürlich spielt der Komfort auch eine Rolle. Die Kunden im Ein- oder Zweifamilienhausbereich, die vielleicht sogar eine Gastherme oder einen Ölkessel gehabt haben, sind einen sehr hohen Komfort gewöhnt. Die kennen vielleicht einen Raumregler, wissen aber oft gar nicht, was genau im Keller steht. Manche wissen noch die Farbe vom Kessel, und das war es dann auch. Würde man hier eine Hackschnitzelheizung einsetzen, bei der aufgrund der enthaltenen Mineralstoffe Asche entsteht, dann muss diese ein paar Mal im Jahr entleert werden. Und das wollen die Kunden nicht. Bei Pellets wird praktisch nur mehr der Energieträger Kohlenstoff verpresst, und deshalb entsteht fast keine Asche. Aus diesen Gründen ist vom Brennstoff her der Einsatzort, die Kundschaft schon irgendwie festgelegt.
 
Im Mikronetzbereich spielt der Einsatz des Brennstoffes bezüglich Amortisation und Endkosten für den Kunden eine wesentlich größere Rolle. Dort kommt natürlich der Brennstoff Hackschnitzel aufgrund des günstigen Preises noch stärker zum Tragen.
 
CM: So wie das klingt sind Sie ja in einer recht komfortablen Position, und wie es im Moment aussieht, geht die Entwicklung eher gegen Erdöl und pro erneuerbare Energien.
 
Erwin Stubenschrott: Leider nein, oder Gott sei Dank – es kommt halt darauf an, von welcher Seite man das betrachtet. Leider nein, für die KWB. Die Entwicklung hat natürlich dazu geführt, dass nicht nur die Pioniere auf dem Markt sind, sondern dass die schlafenden Riesen inzwischen wach geworden sind.
 
CM: Sie meinen also Kesselbauer, die bisher Kessel für fossile Brennstoffe gebaut haben?
 
5. Wir müssen uns der Situation bewusst sein und uns danach ausrichten
 
Erwin Stubenschrott: Genau. Wenn ich jetzt ein paar Namen nenne: Vaillant oder Viessmann mit 1,7 Mrd. Euro Umsatz weltweit. Alle 30 österreichischen Kesselbauer zusammen machen 1 Mrd. Euro Umsatz – Viessmann allein macht 1,7 Mrd.. Die haben bis vor 2-3 Jahren nichts gemacht, und gewartet, bis der Markt groß genug ist. Und jetzt kaufen sie Firmen auf, und lassen sich von Ingenieurbüros der Biomassebranche die Kessel entwickeln. Geld dafür ist genug vorhanden. Viessmann allein hat 20 Mio. nur im Bereich Pellet-Kesselentwicklung und Marktaufbau investiert.
 
Martin Viessmann ist inzwischen Chefberater der Frau Merkel für Energiefragen in Deutschland. Das heißt, es wird auf eine ganz andere Ebene gehoben. Die Firma Viessmann hat natürlich einen anderen Hebel als Lobbyist in Brüssel, in der Normierung, in der Gesetzgebung usw. Das ist das positive dabei. Auf der anderen Seite aber sind sie eine Wirtschaftsmacht, die jetzt als Wettbewerb für uns daher kommt.
Daneben versucht Viessman über Headhunter an unsere besten Leute in Forschung und Vertrieb heranzukommen. Er lädt unsere besten Installateur-Partner, die wir über Jahre aufgebaut haben, die wir geschult und qualifiziert haben, zu sich ins Werk ein, und versucht sie abzuwerben. Das ist das Aber dabei. Das ist eine Herausforderung für uns, wobei wir ganz klar sagen: Die Herausforderung nehmen wir an! Wir haben immer gesagt, wir wissen, dass wir nicht alleine sind, und es wird die Zeit kommen, wo die anderen kommen. Die Frage war nur wann – jetzt sind sie da. Wir sind innovativer, schlanker und schneller. Ich glaube wir sind besser in der Kundenbindung und in der Kundenbetreuung. Wir werden sicher einige verlieren, wir werden aber auch einige wieder gewinnen. Wir müssen uns nur dieser Situation bewusst sein und uns danach ausrichten.
 
CM: In wie fern sind Sie innovativer?
 
Erwin Stubenschrott: Wir arbeiten jetzt seit 15 Jahren intensiv nur an Innovation, Forschung und Entwicklung, vernetzt in ganz Europa, im Bereich Dämm- und Biomasse, nachwachsende Rohstoffe. Der Viessmann hat bis jetzt nichts gemacht.
 
CM: Und das ist nicht so ohne weiteres kopierbar?
 
6. Es geht nicht nur ums Geld
 
Erwin Stubenschrott: Das haben die nicht so einfach von heute auf morgen. Der erste Einstieg von ihm war ein Flopp und hat ihn Millionen gekostet. Weil die Kessel und das Vertriebssystem nicht funktioniert haben. Wenn in einer Firma jahrelang gelebt wird, dass Biomasse keine Zukunft hat, dann kann nicht von heute auf morgen der Schalter umgelegt werden, sodass sich alle Mitarbeiter mit Biomasse identifizieren. Das war sicher eine bittere Erfahrung für unsere großen Mitbewerber. Natürlich lernen die auch und haben die entsprechende Kapitalkraft, um eine solche Niederlage wegzustecken.
Aber, das muss ich auch sagen und bin darauf sehr stolz: Sie konnten keinen einzigen unserer Mitarbeiter oder Installateure heraus kaufen. Diese sagen nämlich: Wir sind hier daheim, wir gehören zur KWB, das ist unsere Philosophie, und es geht nicht nur ums Geld. Das ist ein klares Zeichen – man kann sich nicht alles kaufen ums Geld.
 
CM: Wenn Sie sagen „innovativ“ – heißt das, für die Zukunft ist im Kesselbau, mit nachhaltiger Energie noch sehr viel möglich? Ist das schon ein ausgereiztes Gebiet, oder wird noch Jahrzehntelang immer wieder etwas Neues kommen, das die Landschaft verändert?
 
Erwin Stubenschrott: Wir haben jetzt bereits ein Modell der Mittelklasse und der obersten Klasse im Kesselbaubereich. Da werden wir nicht mehr allzu viel erreichen. Das ist rein physikalisch bedingt, wenn man die Wirkungsgrade und den Komfort usw. betrachtet. Man kann vielleicht noch mit viel Einsatz eventuell 1-2% an Wirkungsgrad herausholen, und vielleicht lassen sich die Emissionen noch ein bisschen drücken.
Worin wir sicherlich investieren müssen, ist die Serientauglichkeit in der Massenfertigung. Da kann man noch etwas lernen von der Firma Viessmann.
 
Mit Sicherheit wird es auch neue Brennstoffe aus der Landwirtschaft geben. Wir sind ja momentan im Wesentlichen auf Forst beschränkt. Stückholz, Hackschnitzel, Pellet – das sind ja zu 100% forstliche Rohstoffe. Es gibt aber jede Menge aus der Landwirtschaft. Da ist mindestens genauso viel, wenn nicht noch mehr Potential vorhanden!
 
CM: Was wäre das zum Beispiel?
 
Erwin Stubenschrott: Worauf wir uns seit zwei Jahren ganz stark konzentrieren ist Energieholz vom Feld. Das sind schnellwachsende Weiden und Pappelstecklinge, mit Mengenerträgen, die man sich vor 10 Jahren nicht einmal in der Phantasie vorstellen konnte. Wir haben vor 10 Jahren mit solchen Züchtungen 8-10 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr Ertrag gehabt. Inzwischen sind wir bei 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr. Die Zukunft wird es vielleicht auf 30 Tonnen /ha und Jahr bringen.
 
CM: Geht das nur mit einem massiven Düngemitteleinsatz?
 
Erwin Stubenschrott: Eben nicht. Das ist eine Ackerkultur, die sowohl vollmechanisch geerntet werden kann, aber auch auf kleinen Flächen angebaut werden kann. Und in Summe haben wir 27 Mio. Hektar Brachfläche in der EU.
 
Das schöne bei diesem Rohstoff ist, im ersten Jahr ist es eine intensive Ackerkultur. Bis der Steckling wurzelt, bis er sich ausgebildet hat, kriegt er eine ungefähre Wuchshöhe von vier Metern, und die Wurzel geht ungefähr 2 Meter in den Boden. Im zweiten Jahr ist es sieben bis acht Meter hoch, und die Wurzel ist vier Meter im Boden drinnen. Und dann gibt das schon eine dermaßen große Beschattung und einen Laubfall, sodass sich automatisch Unkraut nicht halten kann – da kommt kein Gras mehr auf. Im ersten Jahr gibt es einen chemischen oder mechanischen Pflanzenschutz, und dann gibt es 20 Jahre Ernte ohne Düngung und ohne Pflanzenschutz. Das funktioniert rein über die Photosynthese und über den eigenen Nähstoffkreislauf – ein geschlossener Kreislauf, wie es ihn sonst nirgendwo gibt. Das ist eine extensive, ökologisch hochinteressante Kultur.
Das ist eine Möglichkeit, aber da gibt es in Zukunft sicher noch zehn andere Möglichkeiten, um aus solchen Flächen, oder auch aus Nebenprodukten wie etwa aus der Industrie, Energie zu erzeugen.
 
Im Kesselbaubereich ist physikalisch gesehen schon ziemlich alles ausgeschöpft. Die Wirkungsgrade sind zwar bei den unterschiedlichen Herstellern geringfügig unterschiedlich. Das ist letztlich aber egal, denn wenn es kein gescheites Verteil-System gibt, und das Gesamtsystem nicht optimiert ist, hat ein Kessel mit 92% Wirkungsgradvielleicht einen Jahresnutzungsgrad von 85%, und der mit 94% Kesselwirkungsgrad einen Jahresnutzungsgrad von vielleicht nur 60%. Und das spürt der Kunde in der Börse, und das spürt auch die Umwelt.
 
CM: Spricht das eventuell dafür, dass die KWB sich von einem Kesselhersteller zu einem Systemanbieter entwickelt?
 
Erwin Stubenschrott: Genauso ist es – wir sind ein Systemanbieter. Der Kunde bekommt von uns ein geschlossenes Gesamtsystem. Unser Partner ist der Installateur, der letztendlich der Mittler zum Endkunden ist. Der kriegt alles abgestimmt, vom Sonnenkollektor, der Brennstofflagerung bis zur Ascheentleerung.
 
Kollektoren liefern wir nur in Deutschland, in Österreich ist der Kollektorenmarkt besetzt, aber wir haben die Steuerregeleinheit – wir kommunizieren mit dem Kollektor. Bei der Steuerung liegen unsere Kompetenzen und hier können wir den Jahresnutzungsgrad optimieren. Das ist etwas wo wir uns unterscheiden– wir sind also nicht nur Teillieferant, sondern bieten eine Gesamtlösung an. Das heißt aber auch, dass wir in unserer KWB-Akademie ganzjährig unsere Heizungsbauer und unsere Installateure fit machen. Unsere Installateure unterliegen einem 5-Stufen-Qualifizierungssystem. Wenn ein Installateur KWB-Partner sein will, dann muss er sich zertifizieren!
 
CM: Solche Systeme, die Sie anbieten zeichnen sich ja auch durch eine höhere Komplexität als ein klassischer Gaskessel aus. Überfordert diese Komplexität moderner Energiesysteme die Installateure?
 
7. Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir gemeinsam erfolgreich sind
 
Erwin Stubenschrott: Ja, ganz klar. Die sind komplett überfordert.
Mittlerweile hat auch die Innung schon reagiert. Es gibt in Zukunft nicht mehr den Gas-Wasser-Heizungsinstallateur in der Ausbildung, sondern den Gebäudetechniker. Und innerhalb dieses Gebäudetechnikers gibt es dann die Spezialisierung. Es gibt inzwischen schon 10-12 Fachgebiete. Die Entwicklung am Markt in den letzten 20 Jahren war einfach dermaßen schnell, dass viele nicht mitgekommen sind. Entsprechend ist zum Teil auch die Qualität. In Zusammenarbeit mit dem Biomasseverband haben wir in den letzten 6-7 Jahren konsequent mit Energieberatern und Rauchfangkehrern österreichweit Schulungen zum Bio-Wärme-Installateur angeboten. So haben wir es geschafft, den Leuten langsam die Angst zu nehmen. Aber trotzdem sind wir verpflichtet, ist es unsere Aufgabe, den Installateur wirklich zu begleiten. Und das bedeutet Partnerschaft und Bindung. Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir gemeinsam erfolgreich sind. Wir unterstützen unsere Partner auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Bereich Betriebswirtschaft, in der Personalentwicklung, im Bereich Marketing und Marktauftritt.
 
CM: Im Grunde ist das eine ziemlich komplexe Ablösungs- oder Verdrängungsphase von fossiler Energie zu erneuerbarer Energie. Jetzt braucht es natürlich die Technologie, aber es braucht offenbar auch diese doch sehr spezialisierten Leute, die installieren und warten. Wie passiert das konkret?
 
Erwin Stubenschrott: Dort, wo junge Menschen den Betrieb übernehmen, ist es leichter und geht schneller. Die jungen Installateure machen im Wesentlichen eine HTL oder Fachhochschule oder ähnliches. Und in einzelnen Unterrichtsgegenständen gibt es schon Schwerpunkte in die neue Technologie hinein. Das war vor einigen Jahren noch nicht. Heute hat die Umwelttechnologie schon einen großen Stellenwert in der Ausbildung. Da ist schon fachliches Vorwissen vorhanden und es bestehen keine Berührungsängste mehr.
Bei der älteren Generation zeigt sich eher Angst oder auch fehlende Bereitschaft. Und dort übernehmen dann wir in den ersten Jahren einen gewissen Aufgabenbereich. Wenn der Installateur eine Frage hat, ruft er einfach bei uns an, und wir schicken einen fachkompetenten Mann vorbei. Somit hat er einen Partner, auf den er immer wieder zurückgreifen kann, der ihm Sicherheit gibt und gewisse Dinge abnimmt.
Ich glaube auch, dass mittelfristig sich das Bild etwas verändern wird, das ist unser klares Ziel. Der wachsende Markt kann in dieser Tiefe auf Dauer von uns nicht betreut werden. Das schaffen wir einfach nicht, das wollen wir auch nicht. Wir wollen, dass unser Installateur beim Endkunden fachkompetent ist. Mittlerweile gibt es ein paar wenige Installateure, die sich weigern, einen Ölkessel oder eine Gastherme einzubauen, und lieber auf einen Auftrag verzichten, obwohl der Kunde unbedingt diesen Installateur mit dem guten Ruf will.
 
CM: Das ist aber auch ein Zeichen, dass das Geschäft gut geht, wenn er sich das leisten kann.
 
Erwin Stubenschrott: Er hat sich einen dermaßen guten Ruf aufgebaut, dass er keine Sorge haben muss. Er bleibt sich treu, eigentlich kann man sagen, er hat sich eine Marke aufgebaut. Viele reden dem Kunden aber nach dem Mund. Der Kunde kommt, und es wird besprochen, was gewünscht wird. Das sieht meistens so aus, dass der Installateur den Kunden fragt, was ihm am sympathischsten ist: Öl, Gas oder Pellet. Und wenn der Kunde sagt, dass ihm Gas ganz gut gefällt, dann wird er ihm zustimmen und auf seine Erfahrung damit verweisen, um so den Kunden ins Boot zu holen. Das funktioniert so aber nicht. Wir wissen aus der Marktforschung, dass der Kunde nicht nur zu einem Installateur geht, sondern im Schnitt zu vieren! Und derjenige Installateur, der sich klar positioniert und klar argumentiert, der macht das Geschäft, weil er dem Kunden Sicherheit gibt und Fachkompetenz vermittelt. Und die anderen haben einen Aufwand, haben Angebote gemacht und wundern sich dann am Jahresende, wenn Sie eine Abschlussquote von 10-15% erreicht haben.
 
CM: Um zusammenfassend auf die drei Aspekte einzugehen, die wir im Zuge dieses Projektes beleuchten wollen: Bewahren, innovieren, über Bord werfen – gibt es aus Ihrer Sicht bei der KWB etwas, wo Sie aufgrund der Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre sagen: Das bewahren wir in jedem Fall, dort müssen wir unbedingt noch innovieren, und das werfen wir über Bord?
 
8. Wir wollen keinen Kunden, wir wollen Fans
 
Erwin Stubenschrott: Also über Bord werfen – wir haben nichts über Bord zu werfen. Wir haben von Haus aus eine ganz klare Position, eine klare Strategie, eine klare Vision, ein klares Leitbild, das heißt „erneuerbar“. Alles andere kommt für uns nicht in Frage. Egal wie lukrativ das wirtschaftlich gesehen auch wäre. Also, über Bord werfen gibt es nicht.
Bewahren, da geht es nicht nur rein um Technik, da geht es um unsere Philosophie und Strategie. Bewahren wollen wir unseren klaren Ansatz, überspitzt gesagt: wir wollen keine Kunden, wir wollen Fans! Wir wollen den Kunden begeistern, und wir wollen ihn in 20 Jahren wieder als Kunden haben.
 
CM: Ist das die typische Kessellebensdauer?
 
9. Offenheit, Klarheit und Kundennutzen werden wir bewahren
 
Erwin Stubenschrott: Das ist im Normalfall so – es kann auch sein, dass ein Kessel 30 Jahre lebt. Wir haben es aber auch schon erlebt, dass Kunden schon nach 12 Jahren den Kessel ausgetauscht haben, nicht etwa weil er kaputt war, sondern weil sie einfach begeistert sind von der Bioenergie und dem technischen Quantensprung der letzten 12 Jahre – das ist einfach etwas anderes. Und der intakte Kessel kann für jemanden interessant sein, der nicht so viel Geld hat. Er bekommt einen gebrauchten Kessel mit Vollgarantie, der zuvor noch generalüberholt wird.
Also die Rundumbetreuung des Kunden, den offenen, ehrlichen Zugang und das, was wir versprechen, auch zu halten – diesen Weg, die Offenheit und die Klarheit und den Kundennutzen – das werden wir bewahren. Das bedeutet die Basis der Firma KWB, unsere Philosophie und unsere Vision.
Innovation ist für uns an oberster Stelle. Da müssen wir uns anstrengen und weit in die Zukunft schauen und das machen wir auch – wir haben 36 Leute im Bereich F&E.
 
CM: Wo geht die Innovation noch hin, wenn Sie sagen, der Kesselwirkungsgrad ist schon am Limit?
 
Erwin Stubenschrott: Die Innovation geht in Richtung Systemlösungen, Mikronetze, neue Brennstoffe, neue Technologien, Kälte und Strom. Ich kann mit Biomasse genauso gut Kälte erzeugen. Ein innovativer Ansatz wäre ein Gerät, welches das ganze Jahr hindurch läuft, im Winter Wärme und Strom sowie im Sommer Kälte und Strom produziert.
 
CM: Also quasi als Ersatz einer Klimaanlage.
 
10. Ich freue mich, wenn es einen guten Mitbewerber gibt
 
Erwin Stubenschrott: Genau so ist es. Dann hätte ich natürlich ein Haus-Energiewerk, das mir den Jahresbedarf in alle Richtungen abdeckt. Da geht eben auch viel Geld rein, um herauszufinden, was das optimale System ist. Dann ist da immer noch das Problem, dass das System vielleicht technisch optimal, aber wirtschaftlich nicht darstellbar ist – es muss sich ja letztendlich immer für den Kunden rechnen. Und was natürlich gerade für uns wichtig ist bei dieser Anzahl von Kunden und Neukunden: Inwieweit ist das wirklich bis aufs letzte ausgetestet. Denn wenn ich mit etwas Neuem rausgehe, und Schiffbruch erleide, dann stehe ich das vielleicht wirtschaftlich durch, aber dem Image schadet es massiv. Eine Marke aufzubauen dauert 7-10 Jahre. Wir sind jetzt gerade dabei uns wirklich als Marke zu positionieren und werden auch so wahrgenommen. Mit so einem Schiffbruch kann ich Millionen auf einen Schlag vernichten. Außerdem haben wir einen Mitbewerber, der das aufsaugt wie ein Schwamm das Wasser.
Ich freue mich, wenn es einen guten Mitbewerber gibt, denn dies es hilft letztendlich der Branche, wenn der Markt größer wird, und ich mich beweisen muss und versuchen kann besser zu sein. Wir sind aber hauptsächlich im Wettbewerb mit einer Gastherme und einer Ölheizung. Das muss man bedenken.
 
CM: Um ein Gesamt-Statement zu machen von den interessanten Dingen, die ich jetzt von Ihnen gehört habe: Für Sie hat eigentlich das Jahr 2008 zum Unterschied zu Automobil oder Banken gar nichts Krisenhaftes gehabt.
 
Erwin Stubenschrott: Nein, absolut nicht. 2008 war das beste Wirtschaftsjahr in der Firmengeschichte. Wir haben 56 Mio. Euro Umsatz gemacht. Das war unser höchster Umsatz, unser bestes Ergebnis.
Das schlechteste war, als 2007 der Pellet-Preis für einige Monate hinaufgegangen ist, und wir von einem Tag auf den anderen 60% Markteinbruch gehabt haben. Das war die schlimmste Situation in der Firmengeschichte.
 
CM: War da der Pellet-Preis auch über dem Ölpreis?
 
Erwin Stubenschrott: Nein, der war nie über dem Ölpreis! Aber das ist auch eine Frage der Kommunikation. Es sind ein paar Dinge zusammengekommen, die man rückwirkend gesehen wahrscheinlich ein bisschen abfangen hätte können. Wir haben im halben Jahr davor in der Pellet-Kessel und Pellet-Produktionsgeschichte den niedrigsten Pellet-Preis überhaupt gehabt. € 143 die Tonne – da kann keine Firma kostendeckend produzieren. Da hat jeder dazu gezahlt. Und dann ist der Pellet-Preis innerhalb kürzester Zeit hinaufgegangen auf € 270! Und das ist in den Medien und somit zum Kunden kommuniziert worden. Der Pellet-Preis ist um 70% gestiegen! Dass wir davor auf einem historischen Tief waren, davon war keine Rede. Was dabei zu den Kunden gelangt ist, war: Pellets könnt ihr vergessen, das sind die gleichen Gauner wie die beim Öl. Das gehört sowieso alles der Shell und Exxon und BP – warum sollen da überhaupt jemand investieren?
Und die Fossil-Industrie hat geschickt verbreitet, dass sowieso schon alle Pellet-Presswerke ihr gehören. Das stimmt aber absolut nicht! Kein einziger Deka, der in Europa produzierten Pellets gehört der Fossil-Industrie! Es gehört alles der Holzindustrie, den Sägewerken, den alten Mühlen, die Futtermittel produziert haben, nun die Pressen umgebaut haben, das Sägemehl zukaufen, usw. Das ist praktisch alles in privater Hand! Aber die Fossilen haben diese ganze Geschichte für sich genützt, und die Kunden komplett verunsichert. Wir wären heute nicht dort, wo wir stehen, wäre nicht das Jahr darauf das Öl-Barrel auf € 140 gestiegen, und hätte Putin nicht den Gashahn zugedreht.
 
CM: Herr Stubenschrott, herzlichen Dank! Das war hochinteressant!
 
Erwin Stubenschrott: Bitte gerne!
 
 

Biographisches
Erwin Stubenschrott (geb. 1956) ist seit 1994 geschäftsführender Gesellschafter der KWB Kraft und Wärme aus Biomasse GmbH in St. Margarethen/Raab. Daneben fungiert der passionierte Hobbybiolandwirt als Gastlektor auf der TU Graz, Leoben und Klagenfurt sowie der FH Joanneum Graz und hat darüber hinaus mehr als 100 Vorträge im Bereich Biomasse und erneuerbare Energie gehalten. Erwin Stubenschrott ist Vorstandsmitglied im Verein „proPellets Austria“ und im ökosozialen Forum Steiermark.


* Dieses Gespräch Teil des Forschungsprojektes „In der Krise: Beibehalten, innovieren, über Bord werfen“. In diesem Forschungsprojekt werden Personen interviewt, die eine maßgebliche Führungsfunktion in einer Organisation innehaben. Ziel dieser Gespräche ist, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, was derzeit als unternehmerisch relevant erlebt wird, und welche grundlegend neuen Fragen sich dabei herauskristallisieren. Dieses Forschungsprojekt entstand im Rahmen von metalogikon. Die Interviews und die zusammengefassten Erkenntnisse daraus sind abrufbar unter www.metalogikon.com