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Führen - zwischen Hierarchie und... Komplexität nutzen - Selbstorganisation wagen

Kurzinfo

Selbstorganisation - erstrebenswert für die einen, verunsichernd für die anderen. Wie funktionierts? Funktionierts überhaupt? Deam Autorenteam sind diese Fragen aus ihrer täglichen Arbeit vertraut. Sie kennen die euphorische Aufbruchsstimmung der flexiblen New-Economy-Unternehmen ebenso wie das starre Hierarchiegefüge großer Organisationen. Sie wissen, dass neue Lern- und Arbeitsformen möglich sind, mit denen sich die Voraussetzungen für Prozessorientierung und Selbstorganisation schaffen lassen. Ihre Erfahrungen mit Team und Projektorganisation, Dialog oder Open Space Technology vermitteln Impulse, wie Ziele im Organisationsalltag kreativ und innovativ umgesetzt werden können, jenseits altbekannter Pfade.

Rezensionen

„Ent-Führung“ - Eine Buchrezension von Brigitte Gütl, Frank Michael Orthey, Andreas Thedorff (...)

Dies ist ein seltenes Fundstück in der reichhaltig bestückten Führungsliteraturecke. Wie es dazu kam? „Etwas Unerwartetes ist geschehen. Da führen fünf Unternehmensentwickler und eine Violinlehrerin eher zufällig und in unterschiedlicher Zusammensetzung Gespräche, die sich manchmal in konzentrischen Kreisen, manchmal linear, manchmal zirkulär dem Thema nähern.“ (S. 9) In diesen Dialogen entstehen Fragen, die beantwortet werden wollen. Eine Konferenz - in der Form des Metalogs - wird veranstaltet. „Ein Buch entsteht. Eine Organisation, die den gefundenen, möglichen Antworten und gewonnenen Erfahrungen folgen will, wird gegründet ...“ (ebd.) „Es ist eine Organisation – „Metalogikon“ -, die den Prinzipien der Selbststeuerung folgt, dem Ziel nachgeht, sich selbst und andere Organisationen zu erforschen oder diese einlädt, sich selbst zum Objekt des Lernens zu machen.“ (S. 11) Neugierig geworden?

Dann ist das ein geeignetes Buch für Sie! Aber erwarten Sie nicht zu viel Endgültiges, Abgeschlossenes. Aber davor werden Sie auch schon anfangs gewarnt: „Nichts in diesem Buch ist fertig, nichts ist abgeschlossen - kein Ergebnis. Es ist Anregung, Impuls und Einladung zum Weiterdenken.“ (S. 12). Dem Paradigma der Selbstorganisation und -steuerung folgend, ist dies schlüssig. Dies besagt - verkürzt ausgedrückt -, dass Steuerung in autopoietischen, sich selbstorganisierenden Systemen nur als Selbststeuerung denkbar ist und diese nur durch Irritationsimpulse angeregt werden kann. Es ist der Selbststeuerung des LeserInnen-Systems überlassen, was die Beiträge des Buches bedeuten. Sie halten das für normal? Gut. Und hier ist diese Normalität Konzept! Wie im richtigen Leben (das es jenseits von Büchern noch gibt). Wir - Interventionisten mit Steuerungsansprüchen in Beratung, Training, Führung oder Organisationsentwicklung - finden es häufig „normal“, wenn etwas anderes geschieht, als mit der Intervention beabsichtigt. Aber wir intervenieren dennoch absichtsvoll - und manchmal sind wir doch ein wenig enttäuscht, wenn das intervenierte System anders reagiert als der Steuerungsimpuls es „beabsichtigen wollte“. Wir stoppen hier und intervenieren weiter, nachhaltiger, anders ... - ohne die Systemreaktion als wertvolle Rückmeldung des intervenierten Systems, als „Information“ zu verstehen und unser Weiter- oder auch unser Nicht-Weiter-Intervenieren danach zu justieren. Naheliegend wäre es deshalb schon, diese Normalität zum Konzept zu machen. Darauf sind - wen wundert's - viele schon gekommen und insofern haben Selbstorganisation und vor allem momentan das „Systemische“ Konjunktur. Es entstehen - auf der Basis von systemtheoretischen, konstruktivistischen und chaostheoretischen Erkenntnissen - Theorien, die mehr oder weniger praktisch sind. In der Praxis wundert sich der ein oder die andere aber dann doch, dass es ist, wie es ist, aber immer auch anders sein könnte - trotz aller Rationalisierungsanstrengungen: was bleibt ist Kontingenz. Die Theorie - in ihrer Komplexität - hatte uns beeindruckt und ein Stück weit beruhigt. Vielleicht hatten wir selbst „abgeschlossen“ - das ist ja angesichts der Unsicherheitseskalation auch allzu verständlich. Aber was soll da noch mal ein neues Buch zu diesem Thema helfen? Ist nicht alles schon geschrieben worden? Haha ... Goethe lässt mit seinem Nachahmer Karl Valentin grüßen: „Aber eben noch nicht von jedem!“ Kurzschluss - wie so oft! Denkbar - und hier auch lesbar! - ist es doch trotzdem, dass ein Buch mit hohem Anregungs- und manchmal auch: Neuigkeitswert entstanden ist. Vielleicht liegt das an der Dialogform - wie Sie dialogfähig werden können, erfahren Sie übrigens ab Seite 21 im Beitrag von Thomas Böhm über Renko, einer, von einer japanischen Gedichtform abgeleiteten Form verketteten Denkens. Der Dialog sichert offenbar die Absicht, nicht vorschnell schnelle Antworten zu erhalten, wirkungsvoll ab. Denn: „Antworten sind oft Schlusspunkte. ... Warum sind wir so oft so stolz auf unsere Antworten? (Finden Sie das eine gute Frage?)“ (S. 17)

„Zu Struktur und Inhalt“
Fragen bringen Bewegung. Deshalb ist es „gut“; „als Organisationsberater Prozesse mit Klienten damit einzuleiten, dass Fragen zum Thema gesammelt werden“; (S. 19). Das - Fragen sammeln - haben die Autorinnen und Autoren, alle Teilnehmer der Open Space Konferenz in Alpbach 1998, in einem Workshop in einer urigen Holzhütte getan. Das Thema: „Führen - Zwischen Hierarchie und ...“;. Die Fragen: „Was ist Hierarchie? Welche Bilder haben Organisationen? Verläuft Hierarchie immer von unten nach oben? Welche Rolle kommt in unserem Bild von Organisationen der Schwerkraft zu? Kann Hierarchie temporär sein? Wenn ja, innerhalb welchem Zeitraum? Was meinen die drei Punkte im Titel „Führen - Zwischen Hierarchie und ...“? Wie benennen wir das andere? Brauchen wir einen Gegensatz? Was ist „dazwischen“ - zwischen Hierarchie und dem anderen? Was heißt in diesem Zusammenhang „oben“ und „unten“?“ (S. 19)

Was folgt sind Beiträge um diese und andere Fragen herum. Es ist übrigens keineswegs so, dass Leserinnen und Leser überhaupt keine Antworten finden können. Aber dem Konzept des Buches, sollten sie von diesen zurückgehen, bis sie auf die richtigen Fragen stoßen!

Antworten zum nicht-alltäglichen Begriffsapparat des Buches finden wir im „Wörterbuch des Führens“ von Christoph Mandl (S. 29ff). Eigentlich finden wir dabei aber auch etwas über die Abhängigkeit dieser Bedeutungen von der Weltsicht, aus der das Thema Führen betrachtet wird. Wir erfahren etwas über KF, CF, SF: Kausales Führen, Chaotisches Führen und Systemisches Führen - alphabetisch geordnet nach Schlüsselbegriffen. Das war der Einstieg (drei Beiträge).
 
Es folgen dann jeweils mit mehreren Beiträgen der Teil II „Führungspraxis“, der Teil III, „Führen im Wandel“, Teil IV „Hierarchie, Heterarchie und andere Archien“ und der Teil V „Ausblick“.

Die Beiträge sind stilistisch sehr unterschiedlich - und das ist abwechslungsreich und interessant. Und natürlich kann Leserin und Leser hoppen. Sie können etwas über „Führung in strukturminimalen Arbeitsformen“ lesen und lernen (S. 77ff). Oder unter dem Titel „Geh' nur zum Fürsten, wenn Du gerufen wirst!“ ein Gespräch von Kuno Sohm mit Abt Reimund Schreier zur Hierarchie im Kloster mitverfolgen und sich dazu ihre Fragen stellen. Ein weiteres lesenswertes Gespräch zum Thema „..., und was tun die Frauen inzwischen?“ über weibliche Handlungs- und Führungsmacht führen Dagmar Hlebic, Angelika Löffler und Hanna Mandl eingangs des dritten Teils („Führen im Wandel“). Hier finden wir auch zwei Beiträge über die Form des Open Space, einmal mit dem Fokus auf Führung (S. 149ff) – „Was wir von den Gänsen lernen können“ von Katrin Petri (quasi ein "gans-heitliches" Führungsverhalten) - und ein andermal mit dem Fokus auf Selbstorganisation (S. 165ff) von Markus Hauser und Dagmar Hlebic. Dabei philosophieren die AutorInnen nie einfach so vor sich hin. Sie tun dies in unterschiedlichen Varianten immer mit praktischem Bezug anhand von Beispielen und Erfahrungen. Im vierten Teil stellen sich die Fragen von Ordnung und Unordnung mehrfach. Diese Beiträge sind insbesondere für diejenigen anregend und auch ordnungsstiftend, die angesichts der Unordnung, die posttayloristische Organisationsformen heute produzieren selbst etwas in Unordnung geraten sind. Sie können unerwartete Impulse erhalten und dabei lustvoll den querliegenden Reflexionen der Autoren folgen. Sie stoßen dabei auf überraschende Ordnungsangebote: „Der Verstoß gegen die Ordnung schafft Ordnung. Von der Widersprüchlichkeit des Wunsches nach Widerspruch“ von Thomas Böhm (S. 189ff). Oder sie gehen mit Rudolf Attems auf Ordnungssuche: „Welche Ordnungen?“ (S. 197ff).
 
Dann haben sie vielleicht genug (Klarheit, Irritation, Fragen ...) - und stoßen auf die Frage: „Und wie weiter???“ Sie switchen zum abschließenden Ausblick und finden dort ... wieder keine schnellen Antwort, sondern einen Auszug aus einem Dialog über Führungspositionen und - perspektiven: „Führen ohne Gewissheit“ (S. 221). Hier wird vieles von dem unterwegs quergebürsteten wieder geerdet von fünf sehr unterschiedlichen Menschen, die über Führung dialogisieren. Was daraus zitieren? Vielleicht doch diesen (letzten) Satz: „Ich denk mir, wenn Führen wieder fast synonym mit Lernen wird und die beiden in einer wirksamen Symbiose zusammenkommen können - wenn der Begriff sich am Leben nährt, sich mit ihm entwickelt und sich mit ihm austauscht - dann habe ich gute Hoffnung“ (S. 235).
 
Zusammengefasst:
Das Buch macht die Unhandlichkeit des Themas handlich und damit gleich wieder unhandlich. „Komplexität nutzen - Selbstorganisation wagen“. Eine Ent-Führung. Lesenswert!
F.M.O.

Rezension erschienen in: Organisationsentwicklung - Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management

Das Buch entstand aus der gleichnamigen Metalog-Konferenz, eine Konferenzform, die bei einem Minimum an Strukturen ein Höchstmaß an Selbststeuerung anstrebt und dialogische Gesprächsqualität fördert. TeilnehmerInnen dieser Konferenz haben ihre Konferenz-Erfahrungen weiterverarbeitet und daraus ein Lesebuch gemacht, das sich nicht als stringente, abgeschlossene thematische Ausarbeitung sondern als Einladung zum Dialog versteht.

Die Klammer, die die auch in der Form recht heterogenen Beiträge zusammenhält, ist das Thema Führung und die Frage, wie selbststeuernde Strukturen funktionieren, funktionieren können. Es geht um die Veränderung von Organisationen, weg von den klassischen hierarchischen Strukturen hin zu ...,ja, wohin nun eigentlich? Deutlich wird in den Beiträgen, wie schwierig es ist, darauf eine konkrete Antwort zu geben, wie mit Komplexität umgegangen und Selbstorganisation gewagt werden kann. Dialog, Open Space, Selbstverantwortung, Autonomie und Authentizität sind immer wieder auftauchende Stichworte zur Kennzeichnung eines Weges, der schwierig ist, weil er auf Abwehrroutinen und erstarrte mentale Modelle in den noch hierarchisch geprägten Strukturen trifft.

Man kann das Buch nicht in einem Stück lesen, sondern muß sich einlassen auch auf die Diversität der Beiträge - auf die Gespräche, die Reflexionen, die Ausarbeitungen -, dann findet man genügend Inspirierendes auch für eigene Gedanken. (HM)

Bestellung

Rudolf Attems / Markus Hauser / Christoph Mandl / Hanna Mandl / Kuno Sohm / Josef M. Weber
Führen - zwischen Hierarchie und...
Komplexität nutzen - Selbstorganisation wagen
Versus Verlag Zürich 2001
ISBN: 3 908143 84 5
Preis: EUR 30,81 / sFr 48,- zzgl. Porto

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Rudolf Attems, ATTEMS,WEBER, Wien, A
Paul Erdélyi, Supervisor DGSv, Werl, D
Dagmar Hlebic, Wien, A
Angelika Löffler, Wien, A
Christoph Mandl, Mandl, Lüthi & Partner, Wien, A
Hanna Mandl, Mandl, Lüthi & Partner, Wien, A
Kuno Sohm, Höchst, A
Josef M. Weber, ATTEMS,WEBER, Wien, A