Liebe metalogikon - Interessierte!
Dieses Mal haben wir wieder ein Leitthema gewählt: Courage in Organisationen. Wir veranstalten dazu gleichzeitig im Juni 2007 eine Metalogkonferenz mit gleichem Titel (siehe Veranstaltungen, Projekte, Hinweise...am Ende dieses Letters). Den Untertitel haben wir gewählt mit »zwischen Routine, Verantwortung und Freiheit«. Am Beginn der Einladung zu dieser Konferenz heißt es: das Neue entstehe dort, wo Menschen unbeirrt von Sachzwängen, Routine und Opportunismus nach eigenen Urteilen und Vorstellungen zu handeln beginnen. Ist dieses Handeln nicht ein Stück Freiheit leben?
Metalogische Grüße
Kuno Sohm
Newsletter Redakteur
In dieser Ausgabe lesen Sie:
- Kaskade und Doppelpass
- Courage in Organisationen – eine Einladung
- Nach dem 1. Bürgercafe in Bad Cannstatt: Reflexionen der Projektleitung zu Courage in diesem Projekt
- Veranstaltungen, Projekte, Hinweise
Kaskade und Doppelpass
In den letzten zwei Jahren interviewten wir im Rahmen eines Forschungsprojekts über systemisches Management zahlreiche Führungskräfte über ihr Geschäft und über die Denkbilder, wie ihre Organisation funktioniert. Eines der häufigsten Bilder über die Arbeitsweise von Unternehmen war das der Kaskade.
Das Managementboard formuliert strategische Ziele, die dann in strategische Bereichs- und operative Teamziele »herunter gebrochen« werden. Das Unternehmen als Kaskade ist das korrespondierende Denkbild zum Management-by-objectives-Führungsmodell.
Wie in Plotins Emanationslehre aus dem 3. nachchristlichen Jahrhundert ergießt sich in diesem Denkbild das göttliche Sein von der obersten Brunnenschale in die nächsttiefere Schale und so weiter, bis das göttliche Sein beim sündigen Menschen auf der untersten Brunnenschale angelangt ist, der dadurch freudig und beseelt Teil des göttlichen Heilsplanes wird. Nun - das ist das Denkbild.
Lässt man die Führungskräfte aber weiter erzählen, wie denn in ihrer Organisation diese Kaskade gelebt wird, beschreiben die Führungskräfte, dass das Leben des Unternehmens in der Regel ein subversives »Spiel um die Ziele« ist. Ziele werden zwar von Ebene zu Ebene herunter gebrochen, die entscheidenden Spielzüge im Unternehmen finden indes danach statt: darin, wie Bereiche, Teams und Mitarbeitenden Ziele so geschmeidig machen, dass sie in ihre Realität passen; mit welcher hermeneutischen Klugheit Zahlen in Maßnahmen verwandelt werden und vor allem – zentraler Spielzug – wie Abweichungen vom göttlichen Heilsplan kommuniziert werden, ohne diesen Heilsplan selbst zu kritisieren.
Das ist das Spannungsvolle am Denkbild des Kaskade und des Herunterbrechens: Es beschreibt – nimmt man das Wort ernst – einen Gewaltprozess, der Unternehmen als mechanistisch funktionierende Systeme entwirft. Wenn Manager glauben, mit dem Herunterbrechen sei ihr Geschäft beendet, dann übersehen sie, dass das Spiel um die Ziele elementar mit zum Spiel gehört.
Courage in Organisationen kann heißen, das routinisierte und bisweilen schon freudlos gewordene Spiel des Herunterbrechens von Zielen (nebenbei: der medizinische Nebensinn dieses Verbs beschreibt recht treffend, wie der jährliche Zielprozess bei Mitarbeitenden wahrgenommen wird) in Frage zu stellen und das subversive »Spiel hinter dem Spiel« zu benennen. Das wäre der erste Schritt, neue, zum Unternehmen und seinen Mitarbeitenden passendere und realistischere Formen im Umgang mit Zielen zu erfinden.
Hier noch eine Einladung zu einem neuen Bild über den Umgang mit Zielen, also der Kommunikation einer Ebene mit der anderen: Der Doppelpass.
»Reden wir vom Doppelpass, den Doppelpass musst du kennen, das »Eins-zwei« musst du genießen können, wenn die großen Fußballer der Welt die Liebenswürdigkeit besitzen, es uns einmal im Fernsehen vorzuführen.
Der Doppelpass ist ein kurzer Dialog, der darin besteht, den anderen wahrzunehmen und zu hören. In einem Spiel, egal in welchem, bleibt nicht viel Zeit, um sich zu verstehen, sich über dieses Gemeinschaftswerk zu verständigen und es durchzuführen. Wenn es gelungen ist, wenn ein Blick ausreicht, wenn die feine Wahrnehmung der Absichten und der Bewegung des anderen einen Doppelpass möglich gemacht hat, dann verschafft einem das neben der rein sportlichen Bedeutung eine tiefe Befriedigung, weil man die Gewissheit hat, für einen Moment mit einem Mitspieler ein vollkommenes Einvernehmen erlebt zu haben.
Die großen Fußballer spielen Doppelpässe, die kleinen Fußballer spielen Doppelpässe, und das Glück der einen, davon bin ich überzeugt, schmeckt nicht anders als das der anderen.« (aus: Philippe Dubath (2004), Zidane und ich. Brief eines Fussballspielers an seine Frau. bilgerverlag).
Courage in Organisationen – eine Einladung
Es ist sicher kein Zufall, sondern Folge der allgemein zu spürenden Unsicherheit, wenn gerade jetzt die Diskussion zwischen Willensfreiheit und biologischer Determiniertheit des menschlichen Denkapparats in eine größere Aufmerksamkeitsarena getreten ist. Auf der einen Seite steht die Naturwissenschaft, die Berechenbarkeit und Risikominimierung verspricht und auf der anderen die Auffassung einer Conditio Humana, die die Möglichkeiten und schöpferischen Kräfte des Menschlichen in und für diese Welt vertritt.
Planung und Voraussagbarkeit ist in wirtschaftlichen und auch allen anderen Organisationen und Institutionen hoch willkommen und wird angestrebt. Unsicherheit und Risiko bedeutet ja, dass auch etwas »daneben« gehen kann und das ist nicht nur nicht willkommen, sondern nicht erlaubt. Wie könnte man das gegenüber den Stakeholdern und Shareholdern vertreten? Wie verantworten?
Ohne Verantwortung wäre es leicht – da könnte man ungefährdet Dinge ausprobieren, man könnte experimentieren.
Courage in Organisationen wurde ja selten gefördert, schließt sie doch den Mut mit ein, auf bestimmte Vorgänge in und bestimmte, weniger geschätzte Eigenschaften von Organisationen hinzuweisen. Anstatt Neues zu denken hält man lieber nach Verbotsschildern Ausschau oder stellt auch manchmal in der eigenen Phantasie selbst eines »sicherheitshalber« auf, um sicher zu gehen. Die Verantwortung liegt dann in der Organisation selbst, in ihrer Kultur, in ihrem System.
In den Steuerungsprozessen der Organisationen kann man in Entsprechung wiederum die zunehmende Neigung beobachten, alles mit Systemen zu überziehen und zu regeln. Wenn sich diese beiden Tendenzen vereinen, werden Organisationen zunehmend rigider und weniger reaktions- und lernfähig. Wer übernimmt die Verantwortung für diese Entwicklung, die ja in Zeiten hoher Komplexitätsanforderungen dem Unternehmenserfolg nicht unbedingt zuträglich ist? Niemand, denn in aller Regel ist jede »Seite« davon überzeugt, man hätte keine andere Wahl und handle mit Notwendigkeit einem Sachzwang entsprechend.
Wie viele Chancen für größeren Erfolg gehen da verloren, wie viel Sinn für persönliches Engagement für ihn?
Wenn wir Sie nun zu unserer Metalogkonferenz zu diesem Thema unter dem Hinweis einladen würden, dass im Zeichen der Globalisierung und grenzenlosen Welt dieser Weg ein gefahrvoller ist, weil andere Wirtschaftsräume voll Tatendrang und Aktivität ihre Entwicklung vorantreiben, würde dies zwar auch stimmen, aber wir würden das, diesen Tendenzen zugrunde liegende Problem nicht sehen. Dieses Problem ist ja im Grunde die Angst. Angst vor dem Unvorhersehbaren, Unkontrollierbaren. Sie unter dem Hinweis auf die mit dieser Entwicklung verbundenen Gefahren einzuladen, hieße also, Sie zur Teilnahme durch Angst zu motivieren! Schon Einstein sagte, dass wir Probleme nicht mit den Haltungen werden lösen können, die ja eben zu ihnen geführt haben.
Vielmehr wollen wir Sie zur Teilnahme bewegen, indem wir auf die tatsächlich noch nicht erkannten Möglichkeiten und Chancen neugierig machen, wie mit mehr Courage und Tatkraft sich neue, zukunftsweisende Möglichkeiten für unsere Organisationen eröffnen werden und rechnen mit Ihrer Courage, Ihrem Tatendrang und Ihrer grenzenlosen Neugier.
Mit welchen Fragen und mit welchen Methoden in welchen Strukturen wir hier den Raum für diesen schöpferischen Prozess herstellen werden, können Sie online auf dieser Website erlesen. Der Prozess der Konferenz wird selbst zum Beispiel für couragiertes, gemeinsames Arbeiten.
Nach dem 1. Bürgercafe in Bad Cannstatt: Reflexionen der Projektleitung zu Courage in diesem Projekt
Wir berichteten bereits in vorausgegangenen Newslettern über das Projekt »Generationenverbindendes Miteinander in Bad Cannstatt«. In diesem Projektschritt ging es darum, mit einem ersten Bürgercafe an verschiedene initiative Menschen heranzukommen, um schließlich im kommenden Herbst mit einer nach diesem Nachmittag entstandenen Initiativgruppe die Konferenz der Generationen im Januar 2007 vorzubereiten. Mit dem Eindruck des am Vorabend erlebten Bürgercafes fragte ich am folgenden Morgen bei einer Reflexion einige Projektleitungsmitglieder zu »was verbindest du in bezug auf dieses Projekt mit Courage«?
Marie-Luise Stiefel (Jugendamt): In diesem Projekt heißt Courage für mich, dran zu bleiben oder sich einzulassen auf einen Prozess, bei dem ich nicht weiß, wo er tatsächlich hinführt. Es heißt, die Idee weiter zu verfolgen, dass man als Bürger oder Bürgerin selber seine Angelegenheiten in die Hand nimmt und das als Chance begreift. Und für mich ist das ganze Projekt ein Ausdruck von Courage, denn ich habe noch nie ein Projekt gemacht, das so sehr die Möglichkeit des Scheiterns beinhaltet. Wir werden auf jeden Fall ein Zentrum, eine bauliche Infrastruktur, hinkriegen, aber ob die Idee der Selbstorganisation auf den Weg dorthin befördert wird, da bin ich mir ganz unschlüssig, ob das gelingt.
Carolin Wolf (Organisationsberaterin): Es braucht Courage, sich für etwas zu begeistern und sich dafür einzusetzen. In Verbindung mit dem gestrigen Treffen war für mich gelebte Courage der Moment, als der Jugendliche zur In- und Ausländerthematik seine Position im Raum vertrat, mit dem Wissen, dass er erst mal andere irritieren wird.
Julian Wiehl (Filmteam): Für mich heißt Courage, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen, dann sich trauen, die Gedanken auszudrücken in den Raum und zur Diskussion zu stellen. Und: egal was andere für eine Vorstellung von Generationshaus haben, das machen, was ich verwirklichen will.
Ich selbst verbinde hier Courage mit Verantwortung übernehmen und bürgerschaftlichem Engagement: was will ich als Bürger oder Bürgerin? Für was trete ich ein? Für was erhebe das Wort und bleibe dann dran?
Das Projekt ist in einer wichtigen Phase, wo viel Mut gefragt ist.
Veranstaltungen, Projekte, Hinweise
Letzte Präsentation 2006 des Buches »Aufgabe Zukunft-Versäumen, planen, ermöglichen...«
Die bereits in verschiedenen Städten durchgeführte, inszenierte Buchpräsentation findet dieses Mal am 20.11.2006 in Dornbirn/Vorarlberg in der Kantine des Kulturzentrums Spielboden statt.
Bereits eine erste Reaktion:
Liebe Hanna,
herzlichen Dank für die Einladung. Da werd ich auf jeden Fall hingehen - vom Buch bin ich ganz begeistert. Ich habe es schon gelesen und es ist im Moment das praxisnahste und visionärste Buch, das ich grad gelesen habe.
annemarie
JugendInitiativ
Entwicklung und Begleitung von Jugendprojekten
Annemarie Felder
6840 Götzis, Montfortstraße 88
Lernprojekt: Innovationskraft stärken - Zukunft hervorbringen. Die Erschließung nachhaltiger Erfolgspotenziale in Unternehmen
Bereits zum 5. Mal startet nun dieses Lernprojekt! Somit wird drei bis sechs weiteren Unternehmen erneut die Möglichkeit geboten, innerhalb eines ¾ Jahres aus einer außergewöhnlichen Community of Practice heraus Projekte zur Steigerung der organisationalen Lern- und Innovationsfähigkeit zu entwickeln und zu realisieren. Das Lernprojekt startet im Jänner 2007.
Projekt »Innovationssupport für Wiener Unternehmen«
Im Rahmen des Programms »Innovationssupport« des ZIT Zentrum für Innovation und Technologie lädt das metalogikon Dienstleistungsunternehmen - auch Non-Profit-Organisationen -, produzierende Unternehmen sowie Forschungsinstitutionen mit Standort Wien zu einem gemeinsamen Projekt ein.
Ziel dieses Projektes ist es, vier ausgewählte Wiener Unternehmen dabei zu unterstützen, je eine radikale Innovation hervorzubringen und dabei gleichzeitig die eigene Innovationskraft nachhaltig zu steigern.
6. Metalog-Konferenz: Courage in Organisationen: zwischen Routine, Verantwortung und Freiheit
Termin: 6.-9. Juni 2007 in Strobl am Wolfgangsee, Oberösterreich, Anmeldungen können ab sofort erfolgen.
Führungsdialog startet nun am 22.-24. März 2007
Mit dieser Veranstaltung wenden wir uns an erfahrene Führungskräfte unterschiedlicher Kontexte, die zweimal im Jahr eine Gelegenheit nutzen wollen, in dialogischen Gesprächen wichtigen Führungsfragen nachzugehen. Sie suchen persönliche Reflexion, Distanz zum Alltag und intellektuelle Wellness?
Buchtipp: Frithjof Bergmann: Die Freiheit leben; Arbor Verlag 2005
Frithjof Bergmann stellt dem Bild des äußerlich grenzenlosen Raums das Bild des innerlich unbegrenzten Menschen entgegen, der nicht Sklave ist, der nicht auf den Knien liegt, der sich nicht artig verbeugt;...das Bild eines Menschen, der Kraft hat, der sich selbst achtet und eben deshalb nicht die Stiefel eines anderen küsst- auch wenn dieser andere Macht und Titel besitzt.
Im Rahmen dieses Projektes hat eine Forschungsgruppe von 38 (!)Personen für ein gutes Jahr die Arbeit begonnen. Sie will dabei Erfahrungen aus unterschiedlichsten Kontexten zusammentragen und Möglichkeiten respektive Grenzen des Dialogs erkunden. So soll u.a. untersucht werden, wie sich eine von Dialogkultur geprägte politische Gemeinde von einer destruktiven Streitkultur geprägten Gemeinde unterscheidet.